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Rezension – Jo Nesbø: Das fünfte Zeichen

  • annieliebt
  • 23. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. Mai

(Originaltitel: The Devil’s Star / Harry Hole Band 5)

Der Norweger Jo Nesbø ist bekannt dafür, dass er seine Leser nicht schont – nicht emotional, nicht psychologisch, nicht sprachlich. Auch Die fünfte Fährte, dem nächsten Kapitel meiner Rückkehr zu Jo Nesbøs Harry-Hole-Reihe, ist keine Ausnahme. Im Gegenteil: Es ist einer der intensivsten Romane der Serie, ein schmerzhafter, düsterer Abstieg in die Abgründe eines Mannes – und in das labyrinthische Spiel eines Serienkillers.


Ein Roman wie ein Sturz in die Dunkelheit –und ein Licht, das bis zur letzten Seite brennt. Bild: KI animiert
Ein Roman wie ein Sturz in die Dunkelheit –und ein Licht, das bis zur letzten Seite brennt. Bild: KI animiert

Harry Hole ist am Boden. Rakel hat ihn verlassen, die Beziehung – sein letzter Halt – ist zerbrochen. Er ist rückfällig geworden, trinkt wieder. Schlaflosigkeit, Verzweiflung und Wut begleiten ihn wie ein bleierner Schatten. Als dann auch noch ein neuer Mordfall auftaucht – eine Frau tot in ihrer Dusche, ein Finger fehlt – wird ausgerechnet Tom Waaler als Kollege an seine Seite gestellt. Waaler, der Mann, von dem Harry glaubt, dass er hinter dem Mord an seiner Kollegin Ellen steckt. Doch er kann es ihm nicht nachweisen.


Als Harry sich weigert, mit Waaler zu kooperieren, wird ihm kurzerhand gekündigt. Doch der Kriminaldirektor ist im Urlaub, und in der Sommerflaute braucht man jeden Mann. So bleibt Harry – halb geduldet, halb verachtet – in den Büros der Polizei. Was folgt, ist der Auftakt zu einem erschreckenden Puzzle, das sich nur langsam zusammensetzt, aber in seinem Kern perfide, grausam und tief beunruhigend ist.


Eine Musicaldarstellerin wird vermisst, kurz darauf taucht ein Finger auf – mit einem markanten sternförmigen roten Diamantring. Wenig später wird eine Frau in einer Anwaltskanzlei erschossen aufgefunden, ebenfalls mit einem roten Diamantaccessoire. Bald ist klar: Sie haben es mit einem Serientäter zu tun. Oder doch nicht?


Nesbø gelingt es auch hier wieder, die Erzählung schrittweise zu beschleunigen. Die ersten Seiten sind schwer, zäh wie Harrys Zustand selbst – aber sobald der erste Verdacht aufkeimt, beginnt der Roman zu atmen, zu rennen, zu jagen. Man selbst liest plötzlich schneller, atemlos fast, als wollte man Harry zurufen: „Pass auf!“ Und doch weiß man: Er wird fallen. Vielleicht tiefer als je zuvor.

Wie in einem Schachspiel wird Zug um Zug offengelegt, dass nichts ist, wie es scheint.

Verdächtige werden zu Opfern, Täter zu Gejagten. Und Harry selbst – desillusioniert, gezeichnet, und mit der letzten Spur Menschlichkeit ringend – wird zur zentralen Figur in einem perfiden Konstrukt aus Macht, Gewalt und Täuschung.


Jo Nesbø lässt uns tief blicken – nicht nur in die Psyche eines Serienmörders, sondern auch in die zerbrochene Seele eines Mannes, der verzweifelt versucht, an Anstand und Wahrheit festzuhalten. Die Szenen zwischen Harry und Rakel sind von brutaler Zärtlichkeit. Besonders ein Dialog brennt sich ein:

"Hast du dir das gut überlegt, Rakel? Nein. Und ja. Ich fühle mich, als würde ich aus einem brennenden Haus springen. Zu fallen ist besser als zu verbrennen.“

Solche Zeilen sind es, die Die das fünfte Zeichen über den klassischen Krimi hinausheben. Sie machen ihn zu einem Roman über den Zustand der Seele – über das, was bleibt, wenn man alles verloren hat.


Gegen Ende eskaliert die Handlung mit solcher Wucht, dass man Mühe hat, mitzuhalten. Harry wird in einem Showdown getrieben, belagert, körperlich wie seelisch in die Ecke gedrängt. Und ja – manche Passagen verlangen dem Leser etwas ab. Wer zu bildhafte Gewalt nicht gut erträgt, muss hier manchmal blinzeln, wegsehen, weiterblättern. Doch es lohnt sich, durchzuhalten. Denn was folgt, ist ein Finale, das nicht nur auflöst – sondern erschüttert.


Fazit: Das fünfte Zeichen ist ein meisterhafter Balanceakt zwischen psychologischer Tiefe, hohem Erzähltempo und düsterer Spannung. Jo Nesbø webt ein Netz aus Verdacht, Manipulation und innerer Zerbrochenheit, das den Leser bis zur letzten Seite nicht loslässt. Wer Harry Hole begleitet, sollte sich wappnen – denn dieser Band ist nicht nur Krimi, sondern auch literarisches Drama, Verlustgeschichte und Abgrundblick zugleich. Ein düsteres, starkes Kapitel in der Reihe – und eines, das lange nachwirkt.


Eure Annie

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